Laut Wikipedia gibt es 14 verschiedene Arten von Regen, ich glaube, nach den beiden vergangenen Etappen kann ich behaupten: ich kenn sie alle! Okay, das ist vielleicht etwas übertrieben, denn Eisregen (wobei den in Form von Hagel schon, wenn das zählt) und Monsun (wobei der vielleicht auch, so stark wie der Regen war) waren nicht dabei.
An solchen Tagen wie an den beiden vorangegangen merkt man erst, was für ein Glück man in der Geburtslotterie hatte und wie froh man sein kann, ein Dach über dem Kopf zu haben.
Aber ansonsten bin ich nun ein wahrer Niederschlagsexperte. Ich weiß ebenfalls, wie es ist von allen möglichen Himmelsrichtungen angeregnet zu werden. Senkrecht von oben: Dabei sammelt sich auf dem Rucksack einiges an Wasser, setzt man sich die Kapuze ab, macht kurz Pause und bückt sich, um die Schuhbänder zu binden, bekommt man die volle Ladung ab. Von hinten: Da hilft selbst der beste Regenschutz für den Rucksack nix, die Sachen darin werden drecknass, aber insofern angenehm, da man den Regen selbst nicht so mitbekommt. Von vorne: die beste Art des Regens, vor allem gut für Gesicht und um nass bis auf die Unterhose zu werden. Von der Seite: Vor allem für die Utensilien in den Taschen großartig, in meiner Regenjackentasche hat sich ein wahres Plantschbecken gebildet und mein Handy samt Kopfhörer sind darin geschwommen. Die Beiden haben sich – so wie ich – mit dem ganzen Wasser eher weniger wohlgefühlt, die Handylautsprecher haben sich verabschiedet, ebenso wie ein Kopfhörer. Das Einzige, das noch gefehlt hat, war Regen von unten. Wobei ich den, streng genommen, auch abbekommen habe, den irgendwann waren ob der zahllosen Latsche und kleinen Bächlein, die sich gebildet hatten, meine Schuhe so nass, wie normalerweise meine Stirn nach 1000 Höhenmetern aufwärts.
Why does it always rain on me?
Ihr werdet also selbst schon erkannt haben – Überraschung – auf den beiden letzten Etappen hat es viel geregnet! Ich war deshalb am Abend immer fix und fertig und komme erst heute zum Update. Mittlerweile bin ich bei meinen Großeltern in Seewalchen am Attersee, sitze mit einem großen Häferl Kaffee neben dem Kachelofen und bestaune den Regen draußen, während ich zur Abwechslung drinnen sitze. Ich kann euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, nach 570 Kilometern daheim angekommen zu sein. Wie mein lieber Freund Ernst Merkinger, der selbst gerade vom Großglockner zum Meer wandert (Folgen Sie diesem Mann!) immer wieder betont: an solchen Tagen wie an den beiden vorangegangen merkt man erst, was für ein Glück man in der Geburtslotterie hatte und wie froh man sein kann, ein Dach über dem Kopf zu haben. Wenn man mal drecknass vom Scheitel bis zur Zehenspitze unter einer Autobahnbrücke steht und friert, dann weiß man das umso mehr zu schätzen. Bei mir waren das bei der gestrigen Etappe lächerliche acht Stunden. Der Bub aus der Großstadt musste einmal einen verregneten Tag draußen mitmachen, tragisch. Für andere Menschen ist das Alltag. Es gibt kaum etwas Schlimmeres, als ohne zuhause herumzuirren oder vor Dingen flüchten zu müssen. Das wird bei solchen Wegstücken wie gestern bewusst und geht unter die Haut.
Vorgestern bin ich frühmorgens in Salzburg gestartet und durfte – noch bei Sonnenschein – die fesche Stadt an der Salzach verlassen, ein steiler Anstieg brauchte mich an den Fuß des Gaisbergs (dem Hausberg der Salzburg) nach Guggenthal, dort folgte ich bei einsetzendem Regen stets der Wolfgangseestraße, bis ich scharf nach links auf einen Waldweg abzweigte. Da ging es dann aber so richtig los! Plötzlich donnerte und blitzte es. Bei einem Gewitter im dichten Wald zu sein, die Oma und meine frühere Pfadfinder-Gruppe würde heftig mit mir schimpfen. Aber was sollte ich tun? Nach dem Spruch: „Vor Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen!“ handeln? Der Spruch ist natürlich absoluter Blödsinn (oder bevorzugen Blitze Geschmacksrichtungen unterschiedlicher Bäume, so wie ich Schoko- lieber als Vanilleeis habe?). Zum heftigen Regen setzte auch noch Hagel ein, also dachte ich mir, das sei ein guter Ausgleich. Bei Gewitter im Wald: nicht gut, bei Hagel im Wald: naja, besser als draußen. Nach ca. 30 Minuten war der Spaß wieder vorbei und ich konnte weitergehen. Ich stand nun an der Umzäunung des Salzburgrings und dachte, ich schaue kurz bei meinen Freunden des Electric Love Festivals vorbei, die gerade für die große Party, die nächste Woche vom 5. bis 7. Juli steigt, aufbauen.
Ich bekam eine exklusive Führung (ihr könnt sie auf dem 1000things Instagramchannel in den Story-Highlights bestaunen), 200 Menschen errichten hier gerade Bühnen, Campingplatz und die gesamte Infrastruktur. Auftreten werden vor 50.000 Festivalnarrischen unter anderem Steve Aoki oder Armin van Buuren. Übrigens: 80.000 Liter Bier werden am Festival in drei Tagen getrunken, Prost!
Die restliche Etappe verlief unspektakulär, an kleineren Straßen wanderte ich bis Thalgau und von dort bei mittlerweile strahlendem Sonnenschein bis zur oberösterreichischen Landesgrenze. Was war das für ein schöner Moment! Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd, als ich den Grenzstein erreichte, von Bregenz bis hier her spazieren, wer lässt sich denn so etwas einfallen? Ich posierte neben der Markierung für mein Selfie, die vorbeiziehenden Autofahrer starrten mich an, als sei hier ein Verrückter am Werk. Vermutlich haben sie gar nicht so unrecht.
Nach zwei weiteren Gehstunden erreichte ich sehr, sehr müde mein Quartier am schönen Mondsee. Der Blick, der sich mir schon am Weg hin offenbarte war einmalig: Schafberg, Drachenwand, Höllengebirge und darunter der türkise Mondsee. Auf Einladung des Tourismusverbands Mondseeland (danke euch!), durfte ich in der Seepension Hemetsberger nächtigen. Direkt am See gelegen ist die Unterkunft eine wunderschöne Oase, vom hauseigenen Steg kann man auch den Sprung ins kühle Nass wagen oder am Balkon relaxen. Bettina, die Hausherrin, kümmerte sich total nett um mich. Ich entspannte am Abend bei Sonnenschein mit Blick auf den Mondsee.
Etappe 21, im Monsun nach Seewalchen
Mir war klar, dass am nächsten Tag noch einmal ein heftiger Wetterumschwung bevorstand, doch, dass es so schlimm werden würde, erwartete ich dann auch nicht. Bereits beim Aufstehen regnete es aus Kübeln. Bettina meinte nur: „Ich will dir leider keine großen Hoffnungen machen, das wird nicht besser heute.“ Meine große Motivation war, dass mich am Ende der Etappe das Haus meiner Großeltern erwarten würde. Bei jeder anderen Etappe hätte ich wohl einen meiner Joker gezogen oder wäre einfach wieder ins Bett gegangen und am nächsten Tag weitergewandert. Aber so ging es nach einem ausgiebigen Frühstück los auf die fast 29 Kilometer nach Seewalchen.
Ich mache es kurz: die Anstrengung war groß, ich musste zwei Mal das T-Shirt und drei Mal die Socken wechseln. Eigentlich habe ich mich auf die Etappe wirklich gefreut, denn durch die Region, die ich so gut kenne heimzuwandern, ist ja eine einmalige Geschichte! Bei dem Regen hieß es aber einfach: Kapuze auf und durch. Oft war ich nahe am aufgeben, habe schon die Busverbindungen ans Etappenziel gecheckt. Zu Mittag flüchtete ich mich unter einen kleinen Verschlag auf einem Bauernhof, wechselte so gut es ging Kleidung und deckte mich mit meinem dünnen Handtuch zu.
Ich verfluchte die Etappe und dachte, warum ich so stur sein muss? Knapp vorm Aufgeben, gab es plötzlich einen ohrenbetäubenden Knall, ich dachte schon: gleich segnet mich das Zeitliche, dann ist nix mehr mit Regen! Ich wagte mich aus dem Verschlag und starrte in die Landschaft rund um mich. Woher kam das Geräusch? Es knallte wieder. Ich erblickte auf den Feldern vor mir eine Rauchsäule und realisierte: da feuert gerade jemand bei helllichtem Tageslicht und dem größtmöglichen Sauwetter ein Feuerwerk ab. Da stand ich im strömenden Regen und musste loslachen: wenn das kein Zeichen war, weiterzugehen!
Keine Ahnung wie, aber irgendwie packte ich die restlichen 18 Kilometer, von der Landschaft war nicht viel zu erkennen, denn es regnete nach wie vor in Strömen. Voller Vorfreude und strahlend über das ganze Gesicht erreichte ich das Haus meiner Großeltern in Seewalchen.
Wir schlossen uns in die Arme und ich konnte endlich meine extrem nasse Kleidung ausziehen und den Rucksack ablegen. Leute, ich konnte sogar meine Unterhose auswinden, es war irre. Nach einem heißen Bad realisierte ich: ich bin daheim, ich Depp bin tatsächlich von Bregenz hier her gelaufen! Die nächsten Tage werde ich bei meiner Familie entspannen und euch die Region bei mir daheim ganz genau vorstellen, seid gespannt. Am 04. Juli geht es weiter ins Schlussdrittel der Wanderei, Wien, ich komme!
Fazit: Die gestrige Etappe war mental die bisher schwierigste der Wanderei, ich weiß echt nicht, ob ich vor wenigen Wochen im Kopf schon so stark gewesen wäre. Mittlerweile habe ich das Vertrauen in mich: ich schaffe das! Es ist ein Traum, daheim zu sein und tut unglaublich gut. Ich kann euch nur sagen: fahrt’s öfter heim zu euren Eltern, sie freuen sich sehr. Bussi an alle.
Blasencounter: 15
Schnitzelcounter: 3,2
Kilometercounter: 570
Spenden: 2850 € für die St. Anna Kinderkrebsforschung erlaufen
Hier findest du alle bisherigen Tagebucheinträge der Wanderei.